Ethik-Codex
I. Einleitung
Der Antiquar oder Kunsthändler, der Mitglied unseres Verbandes wird, verpflichtet sich, seinen Beruf unter genauer Beachtung der berufsethischen Grundsätze auszuüben. Er hat sich zur Einhaltung der Statuten unseres Verbands und des vorliegenden Ethikcode verpflichtet. Er ist sich seiner rechtlichen und moralischen Pflichten gegenüber Verkäufern, Käufern und jeder Person, mit welcher er in geschäftliche Beziehungen tritt, bewusst. Er vergewissert sich bei jedem Kauf, dass der Verkäufer Eigentümer des Objektes ist oder über das Objekt frei verfügen kann und hält dessen Identität fest. Der Verband empfiehlt in jedem Fall eine schriftliche Bestätigung. Gegebenenfalls prüft er beim Art Loss Register, dass das Objekt weder als gestohlen, noch von einem Staat als widerrechtlich exportiert gemeldet worden ist. Bei Objekten, deren Wert CHF 25’000. – übersteigt, ist die Nachfrage beim Art Loss Register obligatorisch, es sei denn, es liege bereits eine Bestätigung vor. Dank seiner historischen, technischen und beruflichen Kenntnisse ist der Antiquar oder Kunsthändler in der Lage, den Käufer über die Epoche, aus welcher das Verkaufsobjekt stammt und allenfalls über den Namen des Künstlers und über den Zustand des Objektes im Zeitpunkt des Verkaufs zu orientieren. Die Verhaltensrichtlinien, die rechtlichen Ratschläge und der Schätzungstarif wurden vom Schweizerischen Verband der Antiquare und Kunsthändler ausgearbeitet. Sie stehen in Übereinstimmung mit der Internationalen Charta, welche von der C.I.N.O.A. (Confédération Internationale des Négociants en Objets d’Art) angenommen wurde.
II. Rechtliche Grundsätze
A) Die Gewährleistung
1. Allgemeine Grundsätze
Sofern auf den Kauf schweizerisches Recht und nicht das ausländische Recht des Verkäufers (Art. 118 IPRG) oder das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf Anwendung findet, gelten Art. 197 und folgende des schweizerischen Obligationenrechts (OR). Art. 197 OR besagt: „Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. Er haftet auch dann, wenn er die Mängel nicht gekannt hat.“
2. Gegenstand der Gewährleistung
a) Bezeichnung des Gegenstandes Der Antiquar oder Kunsthändler soll auf der Rechnung den Gegenstand beschreiben und nach bestem Gewissen bestimmen. Im Kunsthandel wird ein Gegenstand als echt betrachtet, wenn er als aus der Zeit seines Stiles stammend bezeichnet, oder durch die Meistermarke (Stempel, Marke, Meisterzeichen, Signatur) seines Urhebers näher bestimmt wird. Die Bezeichnung der verkauften Werke soll zu keinerlei Verwechslungsmöglichkeit Anlass geben können; sie soll ferner erlauben, die Gegenstände genau zu erkennen und zeitlich zu bestimmen. Die Bezeichnung eines echten Gegenstandes muss mit einem entsprechenden Datum versehen sein.
b) Stempel, Marken, Meisterzeichen, Signaturen Wenn ein Stempel, eine Manufakturmarke, ein Meisterzeichen oder eine Signatur erwähnt wird, gewährleistet dies, dass das Zeichen durch den Meister selber oder durch die genannte Manufaktur angebracht worden ist. Die Verwendung der Ausdrücke „zugeschrieben“ oder „Schule des…“ besagen, dass nicht gewährleistet wird, dass das Werk vom genannten Meister stammt. Diese Ausdrücke dürfen nicht zur Bezeichnung von Werken verwendet werden, die aus einer anderen als aus der Zeit des Meisters stammen. Die Bezeichnung „Schule des…“ beinhaltet keine Gewähr für einen Künstler oder für eine bestimmte Zeit.
3. Grenzen der Gewährleistung
Ein Ausschluss der Gewährleistung muss ausdrücklich und zur Sicherung des Beweises schriftlich festgehalten werden. Dem Verkäufer kann im Fall der Gewährleistung eine sich später als unrichtig erweisende Zuschreibung oder Bezeichnung des Objektes nicht angelastet werden, wenn diese in Übereinstimmung mit dem im Zeitpunkt des Verkaufs anerkannten Stand der wissenschaftlichen Forschung und Techniken erfolgte.
B) Restaurierung, Zustand der verkauften Gegenstände
1. Allgemeine Grundsätze
Abgesehen von einem abweichenden Vermerk auf der Rechnung werden vom Antiquar verkaufte Kunstgegenstände als gut erhalten betrachtet; sie weisen keine Restaurierungen auf, die ihre Beschaffenheit oder ihren Wert, insbesondere aber ihren ursprünglichen Zustand und ihr Aussehen verändern. Der Antiquar ist verpflichtet, den Käufer über die Mängel eines Gegenstandes zu unterrichten, falls solche vorhanden sind. Die Wertverminderung eines Gegenstandes infolge Restaurierung ist je nach Art des Kunstgutes sehr unterschiedlich. Als annehmbar wird zum Beispiel betrachtet, dass Töpfereien aus Ausgrabungen Beschädigungen aufweisen, während schon sekundäre Risse in europäischem oder chinesischem Porzellan eine erhebliche Wertverminderung bedeuten können.
2. Die Angabepflicht
Der Antiquar oder Kunsthändler ist verpflichtet, über folgende Punkte Angaben zu machen: Reparaturen und Restaurationen an Kunstobjekten jeglicher Art; Ab- und Umänderungen von Möbeln und Kunstgegenständen; Ersatz oder Beifügen von Verzierungen (Bronzebeschläge, Fassungen, Bemalungen, Intarsien, Neuversilberungen, Neuvergoldungen usw.), sofern diese den normalen Rahmen einer Unterhaltsrestaurierung überschreiten; Ausbesserungen an Porzellanen, Fayencen und Gläsern.
III. Abklärungen beim Kauf von Gegenständen
1. Grundsatz
Der Antiquar oder Kunsthändler hat sich beim Erwerb eines Gegenstandes über die Herkunft zu erkundigen. Bei Objekten, deren Ankaufswert über CHF 25’000. – liegt, hat sich der Antiquar oder Kunsthändler beim Art Loss Register Grosvenor Place 12 London, SWIX 7HH England (Telefon +44 171 2353 393/Fax +44 171 2351 652, e-mail: artloss@artloss.com) in obligatorischer Weise zu vergewissern, dass das Objekt weder als gestohlen, noch von einem Staat als widerrechtlich exportiert gemeldet worden ist, es sei denn, es liege bereits eine Bestätigung vor. Überdies ist der Antiquar oder Kunsthändler verpflichtet, die Identität des Verkäufers festzuhalten und diesen zu verpflichten, eine Erklärung über sein Eigentum am Objekt oder seine Berechtigung zur Verfügung über das Objekt zu unterzeichnen.
2. Rechtslage bei gestohlenen Gegenständen
Unterlässt der Antiquar oder Kunsthändler die notwendigen Abklärungen, so gilt er unter Umständen als nicht gutgläubig. Nur der gutgläubige Erwerber ist rechtlich geschützt. Vom bösgläubigen Erwerber kann die gestohlene Sache immer zurückgefordert werden. Im Fall des gutgläubigen Erwerbers gilt nach schweizerischem Recht:
a) Kauft der Antiquar oder Kunsthändler einen gestohlenen Gegenstand an einer öffentlichen Versteigerung, auf einer Kunstmesse oder von einem Kollegen, der mit Gegenständen der gleichen Art handelt, so kann der Eigentümer oder Besitzer die Herausgabe nur verlangen, wenn er dem Antiquar oder Kunsthändler den Preis, den dieser bezahlt hat, vergütet.
b) Kauft der Antiquar oder Kunsthändler einen gestohlenen Gegenstand von einem privaten, nicht gewerbsmässig in der gleichen Branche tätigen Verkäufer, so kann der Eigentümer oder Besitzer den Gegenstand ohne Erstattung der vom Antiquar oder Kunsthändler bezahlten Kaufpreises während 5 Jahren zurückverlangen. Der Antiquar oder Kunsthändler kann diesfalls von seinem Verkäufer die Rückerstattung des bezahlten Preises verlangen. 3. Sonderfälle Bei Kaufverträgen mit Minderjährigen, Bevormundeten und Urteilsunfähigen ist besondere Vorsicht geboten. In den meisten Fällen ist ein getätigter Kauf oder Verkauf ungültig. Bei Käufen anlässlich von Erbfällen oder Scheidungen hat sich der Antiquar oder Kunsthändler davon zu vergewissern, dass der Verkäufer das Recht hat, über den Gegenstand zu verfügen.
IV. Handel mit Gemälden, Zeichnungen, Büchern, Drucken und Stichen
Was diese Arten von Handel anbelangt, sei auf die Regeln des Kunsthandelverbandes der Schweiz einerseits, und auf diejenigen der Vereinigung der Buchantiquare und Kupferstichhändler in der Schweiz anderseits verwiesen, denen unser Verband in einer Dachorganisation angeschlossen ist.
V. Kaufvertrag und Bezahlung des Preises (Anzahlung, Barzahlung)
Ein Kauf kommt durch den Austausch übereinstimmender Willenserklärungen betreffend die Sache und deren Preis zustande.
1. Anzahlung
Eine bei Vertragsschluss geleistete Teilzahlung gilt ohne besondere Abmachung als Anzahlung auf den vereinbarten Kaufpreis. Für den geleisteten Betrag ist eine Quittung mit dem Vermerk „Anzahlung“ auszustellen.
2. Barzahlung
Bietet der Käufer bei Objekten mit einem Verkaufspreis von über CHF 25’000. – Barzahlung an, ist der Antiquar oder Kunsthändler verpflichtet, die Identität des Käufers festzuhalten.
VI. Verkauf gegen Kommission und Marklervertrag
1. Kommission
Wird dem Antiquaren oder Kunsthändler ein Gegenstand zum Verkauf in Kommission übergeben, so hat er im Falle des Verkaufs Anspruch auf eine Provision, in der Regel berechnet in Prozenten des Verkaufspreises, auf Erstattung der Auslagen und der gesetzlichen Abgaben. Die Kommission soll zum voraus festgelegt werden. Der Antiquar oder Kunsthändler darf den Gegenstand nur dann selbst erwerben („Selbsteintritt“), wenn der Eigentümer damit einverstanden ist. Im Rahmen des Kommissionsvertrags tritt der Antiquar oder Kunsthändler gegenüber dem Käufer in eigenem Namen und auf Rechnung eines Dritten auf und gilt dem Käufer gegenüber als Verkäufer. Er trägt als solcher die Gewährleistung für den verkauften Gegenstand. Er darf den Eigentümer nur mit dessen Zustimmung nennen.
2. Maklervertrag
Handelt der Antiquar oder Kunsthändler als Vermittler („Makler“) für einen Käufer oder Verkäufer, so hat er Anspruch auf eine Vermittlungsgebühr („Maklerlohn“), sofern durch seine Tätigkeit ein Kauf oder Verkauf zustande gekommen ist. Die Vermittlungsgebühr soll zum voraus festgelegt werden.
3. Versteigerung
Antiquare oder Kunsthändler, die im Auftrag eines Dritten an einer Versteigerung in eigenem Namen bieten, haben Anspruch auf Ersatz der Auslagen und bei Erfolg auf eine Provision, berechnet auf dem für das Objekt bezahlten Preis. Die Provision ist im voraus mit dem Auftraggeber festzulegen. Vorbehältlich einer ausdrücklich abweichenden Vereinbarung ist der Antiquar oder Kunsthändler weder für die Qualität noch für die Echtheit des Gegenstandes verantwortlich, den er im Auftrag eines Dritten an einer Versteigerung erworben hat.
4. Versicherung
Der Antiquar oder Kunsthändler, dem im Rahmen eines Kommissions- oder Maklervertrags die Sache zur Aufbewahrung übergeben wurde, hat für die sichere Verwahrung zu sorgen. Er ist zur Versicherung des Kommissions- oder Maklergutes nur verpflichtet, wenn er vom Auftraggeber hierzu Auftrag erhalten hat.
VII. Verpflichtung der Mitglieder
a) Die Mitglieder des Verbandes Schweizerischer Antiquare und Kunsthändler haben den hier festgelegten Ethikcode zu befolgen. Missachtung des Ethikcodes schadet dem Ansehen unseres Verbandes und seiner Mitglieder: Sie kann gemäss Art. 6 der Statuten zu Sanktionen führen, die bis zum Ausschluss aus dem Verband gehen können.
b) Jedes neue Mitglied kennt den vorliegenden Text und ist daher verpflichtet, sich an denselben zu halten.
VIII. Aufgehobene Bestimmungen
Der vorliegende Ethikcode annulliert und ersetzt die „Sitten und Gebräuche“ vom 9. Mai 1927, vom 23. April 1933, vom 5. Mai 1946 und vom 21. September 1976, gemäss Beschluss der ausserordentlichen Generalversammlung vom 26. Oktober 1998 und der ordentlichen Generalversammlung vom 27. Mai 2000.
Jean-Jacques Berger
Dr. Georges B. Ségal
Tarif für Gutachten und Schätzungen
Schätzungen und Gutachten sollen verantwortungsbewusst und nach bestem Wissen und Gewissen gemacht werden. Erfordert eine Schätzung besondere Kenntnisse, die dem Beauftragten fehlen, so soll ein geeigneter Spezialist, womöglich unter den Verbandsmitgliedern, zugezogen werden. Schätzungen erfolgen nach dem jeweiligen Marktwert, sofern der Auftraggeber nicht ausdrücklich eine Schätzung auf der Basis von Familien- oder Liebhaberpreisen verlangt. Für jede Schätzung oder Begutachtung ist eine Entschädigung zu beanspruchen. Folgende Honorarsätze werden im Sinn einer Richtlinie empfohlen:
a) Wird aufgrund der Vereinbarung mit dem Auftraggeber eine Entschädigung im Stundenansatz festgelegt, so soll, je nach Bedeutung der Arbeit, von einem Stundenansatz von CHF 150. – bis CHF 450. – exkl. Mehrwertsteuer ausgegangen werden.
b) Tagespauschale oder prozentuale Entschädigung auf Wunsch nach Absprache.
c) Die Schätzung ist in schriftlicher Form zu erstatten. Für schriftliche Arbeiten und Dokumentationen gilt der gleiche Ansatz.
d) Reisespesen werden separat in Rechnung gestellt.
Eine Haftung des Gutachters oder Schätzers für die Richtigkeit der Begutachtung oder Schätzung wird im Rahmen von Art. 100 OR ausdrücklich ausgeschlossen. Dieser Tarifansatz gilt als Empfehlung für die Mitglieder. Er tritt am 27. Mai 2000 in Kraft. Frühere Tarifbestimmungen werden hinfällig.
Jean-Jacques Berger
Dr. Georges B. Ségal